Wie viele Gigabyte kann das menschliche Gehirn speichern?

Immer wieder liest man atemberaubende Vergleiche: Das menschliche Gehirn könne mehrere Petabyte an Informationen speichern, also Millionen Gigabyte, was es theoretisch zu einem der leistungsfähigsten „Speichermedien“ der Welt mache. Solche Aussagen taugen jedoch eher als Metapher denn als wissenschaftliche Wahrheit. Denn unser Gehirn arbeitet grundlegend anders als digitale Speicher. Während ein Computer binäre Zustände in exakt adressierbaren Speicherzellen ablegt, formt das Gehirn Erinnerungen und Wissen in einem dynamischen Netzwerk aus Synapsen, das sich mit jedem Erlebnis verändert. Information wird dabei nicht in eindeutigen Bits abgelegt, sondern in Mustern elektrischer und chemischer Aktivität, die sich gegenseitig verstärken, überschreiben oder sogar neu strukturieren können.
Neurowissenschaftler schätzen, dass das Gehirn etwa 86 Milliarden Neuronen und bis zu eine Billiarde Synapsen besitzt. Geht man von der Speicherkapazität einer einzelnen Synapse aus und setzt ein rein technisches Maß wie „Bits pro Synapse“ an, kommen einige Modellrechnungen auf Werte von einigen Terabyte bis zu mehreren Petabyte. Solche Rechenbeispiele illustrieren allenfalls, wie enorm die Kapazität potenziell sein könnte – aber sie verschweigen, dass diese Kapazität nicht „linear“ abrufbar ist. Die Hirnforschung weiß heute, dass Erinnerungen nicht statisch gespeichert sind, sondern rekonstruiert werden, oft ungenau und subjektiv. Lernen bedeutet nicht nur „Speichern“, sondern auch Vergessen, Verknüpfen, Gewichten. Deshalb ergibt es wissenschaftlich wenig Sinn, die Gehirnleistung in Gigabyte zu bemessen: Sie ist weniger ein Datenspeicher und mehr ein hochdynamischer Organismus.
So bleibt der Versuch, die Speicherkapazität des Gehirns in Gigabyte anzugeben, eher eine faszinierende Analogie als eine fundierte Aussage. Er hilft uns, uns die beeindruckende Komplexität des Denkens und Erinnerns vorzustellen – aber er erklärt nicht, wie Bewusstsein, Lernen und Erfahrung tatsächlich funktionieren. In diesem Sinne: Das Gehirn ist kein Speicherchip. Es ist vielmehr ein lebendiges Netzwerk, das mit jeder Erfahrung neu geschrieben wird – und gerade das macht es so unvergleichlich.